Bevor ich ein paar Geheimnisse zum Schreiben verrate, habe ich eine Bitte: Legt euch einen Stift und ein paar Zettel normales A4-Papier bereit.
Aber jetzt zum eigentlichen Problem – dem Schreiben. Vielleicht geht es dir so wie vielen anderen und auch mir von Zeit zu Zeit, wenn du vor einer Schreibaufgabe stehst: Erst schiebst du sie vor dir her, dann weißt du nicht so recht, wie du anfangen sollst. Schließlich hast du dich endlich überwunden und dann musst du dir erst recht jedes Wort, gefühlt jeden Buchstaben, einzeln aus den Fingern saugen.
Warum das so ist? Das hat viele Gründe und immer gibt es Lösungsansätze:
- Jede Schreibaufgabe ist ein kreativer Akt (Ja, auch ein Flyertext oder das Mail an eine Kooperationspartnerin) und als solcher verlangt er Muse und Konzentration.
- Unsere schulische Schreibsozialisation ist denkbar schlecht: Wir wurden darauf getrimmt, beim ersten Wurf perfekte Texte abzuliefern, was aber nichts mit der Schreibrealität zu tun hat. Denn was auch immer ihr schreibt, kommt erst mal als „Shitty First Draft“ Es ist ein erster Wurf, euer Roh-Material zum Weiterarbeiten.
- Wir alle kennen diese Stimme im Kopf, die uns so hemmende Sätze sagt, wie „Du kannst gar nicht schreiben“ oder „Das klingt nach Volksschulniveau“. So eine innere Zensorin hat jede, mal ist sie lauter, mal leiser. Suche nach einer Strategie, sie im Zaum zu halten – es ist immerhin deine Stimme, also geht das auch.
- Am Computer schreiben hemmt unseren Denkfluss. Also Zettel und Stift zur Hand nehmen und schon geht’s leichter.
„Mit der Hand schreiben? Das ist doch Zeitverschwendung“, denkst du dir vielleicht. Vertraue mir, das ist es nicht. Denn beim Schreiben mit der Hand fließen unsere Gedanken viel schneller, wir denken vernetzter. Wer direkt ins Notebook tippt, unterbricht das Schreiben immer wieder, etwa um Formulierungen auszubessern, nachzusehen, warum ein Wort unterwellt ist. Man reißt sich also laufend selbst aus den Gedanken.
Auf das Schreiben mit der Hand komme ich gleich noch zurück, erst mal möchte ich euch zeigen, wie ihr wichtige Messages herausarbeiten könnt.
Fokus kommt elliptisch – die Magie des Clusters
Jetzt ist es Zeit, dass du deinen Stift zur Hand nimmst und einen Zettel im Querformat vor dir hinlegst. Dann suche dir ein Wort aus dieser Liste aus: Shampoo, Gummihüpfen, Pfeffersteak, liebevoll, malen, Freizeit. Nun notierst du all deine Assoziationen zu dem Wort in Form eines Clusters. Das geht so:
Schreibe dein Wort in die Mitte, zeichne einen Kreis herum, dann notiere das erste Wort, das dir dazu einfällt, kreise es ein, mache einen Strich zu deinem Kernwort. Von deinem zweiten Wort weg, notiere die nächste Assoziation, kreise es ein…
Das machst du so lange, bis dir nichts mehr einfällt, aber mindestens fünf Minuten. Wichtig dabei: Lass deinen Gedanken freien Lauf, hinterfrage nicht, zensuriere dich nicht selbst. Im ersten Schritt soll einfach alles aufs Papier, was an Assoziationen und Wissen da ist. Am Ende sieht dein Cluster so ähnlich aus wie meines zum Kernwort Flugzeug.
Los geht’s. … Sind die fünf Minuten um? Dann leg den Stift zur Seite und schau dir dein Cluster an. Du siehst all deine Gedanken, dein Wissen zum Thema vor dir aufgefächert. Aus dieser Vogelperspektive erkennst du Zusammenhänge und kannst leichter festmachen, was wichtig ist. Wo dein Cluster dicht ist, verbirgt sich Relevantes. Auch wenn sich Begriffe oder Themen wiederholen, ist das ein wichtiger Indikator.
Ohne viel Nachzudenken direkt aufs Papier – die Magie des Freewritings
Mit dem Cluster hast du eine gute Methode, mit der du deinem Text den inhaltlichen Fokus geben und ihn strukturieren kannst. Jetzt müssen nur mehr deine Ideen als halbwegs verständliche Sätze ihren Weg aufs Papier finden.
Da kommen wir zum Schreiben mit der Hand. Also nimm dir ein neues Blatt Papier und deinen Stift und schau dir dein Cluster an. Vermutlich zieht es dich zu einem bestimmten Bereich hin, vielleicht auch zu einem einzelnen Wort. „Nimm“ das Wort und beginne einfach zu schreiben.
Die Regeln des Freewritings sind ganz simpel:
- Zu schreiben beginnen und immer weiterschreiben.
- Nicht lesen, was du geschrieben hast.
- Rechtschreibung, Grammatik, Beistrichsetzung ignorieren.
- Wenn mitten im Satz ein neuer Gedanke kommt, dann schreib bei diesem weiter.
- Setz dir ein Zeitlimit von acht, zwölf oder 15 Minuten.
Also los geht’s! … Ist deine Zeit um? Dann lies dir deinen Text durch, unterstreiche für dich Wichtiges, mache dir Notizen, wenn du willst.
Hättest du dich jetzt mit Beginn des Freewritings auf ein berufliches Thema fokussiert, etwa die Beschreibung eines deiner Produkte, hättest du jetzt den Rohtext (shitty first draft), von dem aus du weiterarbeiten kannst. Du steigst somit gleich mit einer überarbeiteten Version am Laptop ein.
Diese zwei Methoden gehören zur Schreibmethoden-Basisausstattung. Sie haben mir noch jedes Mal geholfen. Und drei Mal darfst du raten, wie dieser Blogartikel entstanden ist.
CHRistine Steindorfer
Christine ist seit gut 15 Jahren PR-Beraterin und hat in dieser Zeit Kund*innen aus ganz unterschiedlichen Branchen betreut, Bildung über Kultur bis hin zu Tourismus oder Technik. Außerdem sind zwei Bücher zum beruflichen Scheitern aus ihrer Feder entstanden. Als Schreibtrainerin unterrichtet sie unter anderem an der Universität für Musik und darstellende Kunst sowie an der FH Wien.
Aktuell bietet Christine Online-Workshops an, die sich mit genau dem Thema beschäftigen. Dort könnt ihr die Methoden näher kennenlernen und natürlich noch einige mehr. Vor allem habt ihr auch die Möglichkeit zum Anwenden und zum Austausch. Die Webinare sind speziell für EPUs konzipiert. Diese findest du hier: https://www.facebook.com/wortart.christine.steindorfer/
Weitere Infos findest du auch auf Christines Homepage: www.wortart.at